Das Wichtigste auf einen Blick:
- Die Verdachtskündigung setzt einen dringenden Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes durch den Arbeitnehmer voraus
- Bevor eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden kann, sind sowohl der Betriebsrat (soweit vorhanden) als auch der betroffene Arbeitnehmer selbst anzuhören
- Gegen die Verdachtskündigung kann Kündigungsschutzklage erhoben werden. Wie bei jeder Kündigung ist hierbei die 3-Wochen Frist, seit Zustellung der Kündigung, unbedingt einzuhalten.
Hinweis: Die nachfolgende Bezeichnung „Mitarbeiter“ beinhaltet alle Geschlechter (m/w/d) und dient der besseren Lesbarkeit.
Was ist eine Verdachtskündigung?
Die Verdachtskündigung setzt einen dringenden Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes durch den Arbeitnehmer voraus. Die Besonderheit der Verdachtskündigung liegt also darin, dass der Pflichtverstoß durch den Arbeitnehmer nicht sicher feststeht / nachgewiesen werden kann.
Grund für diese verminderten Anforderungen ist einmal, dass es für den Arbeitgeber in der Praxis sehr schwierig zu beweisen sein kann, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich nachweislich eine Pflichtverletzung begangen hat. Zum anderen, weil der dringende Verdacht das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen zerstört, sodass es für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortgeführt wird.
Dementsprechend muss die Pflichtverletzung, auf die sich der dringende Verdacht stützt, erst einmal grundsätzlich geeignet sein, überhaupt eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses herbeiführen zu können. Das ist in der Praxis beispielsweise bei Diebstählen oder anderen strafbaren Handlungen der Fall. Dies leuchtet auch ein: Denn bei einem Diebstahl durch den Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis wird das Vertrauen des Arbeitgebers in eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers erschüttert.
Was sind die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung?
In der Rechtsprechung haben sich verschiedene Voraussetzungen ergeben, die gleichzeitig für eine Verdachtskündigung vorliegen müssen. Diese werden nachfolgend genauer dargestellt.
1.Dringender Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes
Diese Voraussetzung hat zwei Punkte zum Inhalt. Zunächst werden Anforderungen an den Verdacht selbst gestellt. Dieser muss dringend sein. Dringend ist er dann, wenn die Pflichtverletzung mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Arbeitnehmer vorgenommen wurde. Dafür müssen objektive Tatsachen vorliegen, die diesen Verdacht begründen und bestärken.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn in einem Unternehmen Geld aus einer Kasse gestohlen wurde und nur ein Arbeitnehmer Zugriff auf diese Kasse hatte. Dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Diebstahl gerade vom betreffenden Arbeitnehmer vorgenommen wurde.
Kein dringender Verdacht liegt beispielsweise dann vor, wenn für die entsprechende Kasse 4 Arbeitnehmer eine Zugriffsmöglichkeiten hatten und der Arbeitgeber allen 4 Arbeitnehmern gegenüber eine Verdachtskündigung erklärt.
Daneben werden Anforderungen an den Pflichtverstoß gestellt. Dieser muss erheblich sein und im Arbeitsverhältnis vorgefallen sein.
Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer auf einer privaten Autofahrt einen Bußgeldbescheid erhält.
Erheblich ist der Pflichtverstoß dann, wenn er so schwerwiegend ist, dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, weil das Vertrauen so stark erschüttert ist. Das ist häufig bei Eigentumsdelikten (Diebstahl, Unterschlagung), Vermögensdelikten (Betrug) und Körperverletzungsdelikten der Fall.
2. Anhörung des Arbeitnehmers
Wegen der besonderen Anforderungen der Verdachtskündigung hat der Arbeitgeber allen seinen Aufklärungspflichten zu dem im Raum stehenden Verdacht nachzukommen. Hierzu gehört auch, dass der Arbeitnehmer zum konkreten Verdacht angehört wird. Diesem muss also eine Verteidigungsmöglichkeit, sprich die Möglichkeit einer Stellungnahme und Entlastung gegeben werden, bevor es zum Ausspruch einer Verdachtskündigung kommt. Hierbei sind dem Arbeitnehmer die konkreten Umstände mitzuteilen, die beim Arbeitgeber den dringenden Verdacht erregen.
Gut zu wissen: Bei der Anhörung gibt es keine besonders vorgeschriebene Form. Zu Beweiszwecken empfiehlt sich die Schriftform.
Der Arbeitnehmer hat keine Pflicht, sich zu dem vom Arbeitgeber vorgebrachten Verdacht zu äußern. Sofern der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gelegenheit einer Anhörung gibt, dieser sich aber weigert, hat der Arbeitgeber seine Anhörungspflicht allerdings erfüllt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dafür auch die konkreten Gründe einer Anhörung mitgeteilt haben muss.
3. Anhörung des Betriebsrats
Neben der Anhörung des Arbeitnehmers ist nach § 102 BetrVG auch die Anhörung des Betriebsrats erforderlich. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn im entsprechenden Unternehmen ein Betriebsrat existiert.
Dabei sind dem Betriebsrat alle belastenden sowie entlastenden Umstände, die zum dringenden Verdacht führen, darzulegen. Sofern der Arbeitgeber dem Betriebsrat bestimmte entlastende Informationen nicht mitteilt, kann dies im konkreten Fall zu einer Unwirksamkeit der Verdachtskündigung führen, wenn die unterschlagenen Informationen für die Beurteilung wesentlich waren.
4. Interessenabwägung
Schließlich muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei werden die Interessen des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis fortzuführen, den Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenübergestellt und abgewogen.
Hierbei sind insbesondere zu berücksichtigen:
- Die Art des Pflichtverstoßes
- Die Schwere des Pflichtverstoßes (z.B. nur Bagatelldelikt)
- Die Dringlichkeit des Verdachts
- Die Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers ohne vorherige Vorkommnisse
Ist eine Abmahnung erforderlich?
Bei der Verdachtskündigung ist grundsätzlich keine Abmahnung erforderlich. Das mag auf den ersten Blick wundern, leuchtet bei näherer Betrachtung jedoch ein: Zweck der Abmahnung ist, dass der Arbeitnehmer bei dem abgemahnten Verhalten zukünftig eine Besserung an den Tag legt.
Bei der Verdachtskündigung ist der Anknüpfungspunkt jedoch nur der dringende Verdacht, dem Arbeitnehmer kann also gerade nicht nachgewiesen werden, dass er sich pflichtwidrig verhalten hat.
Eine Ausnahme besteht aber für sogenannte Bagatellfälle: Hiermit sind vor allem Fälle eines dringenden Verdachts bei Diebstählen gemeint, bei denen der Wert der vermeintlich gestohlenen Sache sehr niedrig ist, etwa bei einem Pfandbon. In diesen Fällen kann eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber notwendig sein. Die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu hierzu hat eine berechenbare Beurteilung von Fallgestaltungen schwieriger gemacht.
Für Arbeitgeber: Frist bei der Verdachtskündigung
Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb von 2 Wochen aussprechen muss, nachdem er von den Tatsachen Kenntnis erlangt hat, will er eine außerordentlichen Verdachtskündigung aussprechen ( § 626 II BGB).
Unwirksamkeit einer Verdachtskündigung aus anderen Gründen
Abgesehen von den obigen Darstellungen kann eine Verdachtskündigung wie jede andere Kündigung im Arbeitsrecht an generellen Unwirksamkeitsgründen scheitern. Dies ist insbesondere eine unterlassene Anhörung des Betriebsrats, die im Rahmen der Verdachtskündigung in jedem Fall notwendig ist. Daneben kann sich die Unwirksamkeit auch aus den fehlenden zusätzlichen Voraussetzungen für bestimmte schutzwürdige Arbeitnehmergruppen ergeben, wie etwa bei Schwangeren, Müttern oder Schwerbehinderten. Insbesondere bei letzten ist vor dem Aussprechen einer Kündigung immer die Benachrichtigung des Integrationsamts notwendig.
Vorgehen gegen eine Verdachtskündigung
Haben Sie als Arbeitnehmer eine Verdachtskündigung erhalten, ist es wie bei allen Fällen einer Kündigung durch den Arbeitgeber wichtig, dass Sie die 3-Wochen Frist, nach Zugang der Kündigung, für die Einlegung einer Kündigungsschutzklage im Blick haben. Läuft diese ab, ist es fast unmöglich noch gegen die erfolgte Kündigung vorzugehen.
Hinweis: Mehr zur Kündigungsschutzklage finden Sie hier: Artikel zur personenbedingten Kündigungsschutzklage.
Fazit
An die Annahme einer Verdachtskündigung sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssen vom Arbeitgeber dezidiert objektive Tatsachen angeführt werden, die den Verdacht einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer begründen.
Hierbei unterlaufen Arbeitgebern häufig Fehler, die bei einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer zu teuren Kosten führen können. Nicht wenige dieser Verfahren enden in einem Vergleich vor Gericht, in dem dem Arbeitnehmer eine Abfindung zugesichert ist, und er im Gegenzug die Kündigung, in abgeschwächter Form, akzeptiert.
Als Fachanwälte für Arbeitsrecht unterstützen wir Arbeitgeber im gesamten Prozess einer Verdachtskündigung und stehen beratend zur Seite. Für Arbeitnehmer bedeutet eine Verdachtskündigung ein scharfes Schwert. Um sich erfolgreich gegen eine Verdachtskündigung zur Wehr zu setzen, ist es erforderlich, die aktuellen Rechtsprechungsentwicklungen der Gerichte zu kennen und über Erfahrungen in Verhandlungs- und Prozesspraxis zu verfügen.