Immer noch herrscht oftmals Unsicherheit darüber, unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat die Übermittlung von Daten über Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen darf. Insbesondere stellen sich bei der Übermittlung sensibler Daten ohne vorherige Einwilligung seitens der Beschäftigten besondere Probleme. In einem solchen Fall musste nun das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in zweiter Instanz entscheiden (Beschluss vom 20.05. 2022 – 12 TaBV 4/21). In dem Beschluss ging es zum einen um die Erforderlichkeit der Übermittlung der Anzahl und Namen von schwerbehinderten/diesen gleichgestellten Menschen an den Betriebsrat im Rahmen von § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG sowie um die Reichweite der zu gewährenden Datensicherheit durch den Betriebsrat bei sensitiven Daten im Sinne des § 26 Abs. 3 BDSG, Art. 9 Abs. 1 DSGVO.
Das Wichtigste in Kürze
- Zielt der Auskunftsanspruch des Betriebsrates auf die Übermittlung sog. sensitiver Daten im datenschutzrechtlichen Sinne ab, muss der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmer angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen treffen.
- Bei der Schwerbehinderung einer Person handelt es sich um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit § 26 Abs. 3 BDSG.
- § 22 BDSG enthält entsprechend spezifische und angemessene Maßnahmen nur beispielhaft.
- Die dem Betriebsrat zur Erfüllung von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben, hängen nicht von einer vorherigen Einwilligung der Arbeitnehmer ab und stehen nach betriebsverfassungsrechtlicher Konzeption nicht zu deren Disposition.
Sachverhalt
Der Betriebsrat begehrte von der Arbeitnehmerin die Mitteilung der Anzahl und Namen der im Betreib beschäftigten schwerbehinderten Menschen/diesen gleichgestellten Menschen. Zudem stritten sich die Beteiligten um einen Unterlassungsanspruch und in diesem Zusammenhang auch um die Androhung eines Ordnungsgeldes.
Die Arbeitgeberin ist eine Entsorgungsdienstleisterin, die durch mehere Betriebe verschiedene Dienstleistungen zur Entsorgung anbietet. Der andere Beteiligte ist der örtliche Betriebsrat in einem ihrer Betriebe. Dieser bat die Arbeitgeberin um Auskunft u¨ber alle im Unternehmen bescha¨ftigten schwerbehinderten Menschen und die U¨berlassung einer Kopie des Verzeichnisses mit der Auflistung aller bescha¨ftigten Schwerbehinderten bzw. ihnen gleichgestellten behinderten Menschen nach § 163 SGB IX. Das Verzeichnis entha¨lt unter anderem Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Art der Ta¨tigkeit, die Angabe, ob Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegt und den Grad der Behinderung. Die Arbeitgeberin lehnte dies aus datenschutzrechtlichen Bedenken ab. Sie wollte zunächst die Einwilligung zur Übermittlung der Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DSGVO der beschäftigten schwerbehinderten Menschen einholen, die sie jedoch nicht von allen schwerbehinderten/diesen gleichgestellten Beschäftigten erteilt bekam.
Daraufhin klagte der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Beschluss vom 22.07.2021 – 8 BV 8/20) auf Übermittlung einer Kopie des gemäß § 163 Abs. 1 SGB IX zu führenden Verzeichnisses der im Betrieb beschäftigten Schwerbehinderten, den Schwerbehinderten gleichgestellten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen. Die Arbeitgeberin wurde durch den Beschluss vom 22.07.2021 dazu verpflichtet, die Anzahl und Namen der schwerbehinderten Menschen beziehungsweise der gleichgestellten Menschen im Betrieb mitzuteilen. Zudem bejahte das Arbeitsgericht einen Unterlassungsanspruch aufgrund einer Behinderung der Betriebsratstätigkeit durch die Nichtmitteilung. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein, wobei das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zu keinem anderen Ergebnis kam.
Auskunftsanspruch des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 BetrVG
Das LAG beschloss, dass dem Betriebsrat im vorliegenden Fall der geltend gemachte Anspruch aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG zusteht. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Voraussetzung dafür ist, dass eine Aufgabe des Betriebsrates gegeben ist und, dass die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist, was vom Betriebsrat darzulegen ist. Grundsätzlich sollen die Informations-, Einsichts- und Auskunftsrechte aus § 80 Abs. 2 BetrVG es dem Betriebsrat ermöglichen in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Hinsichtlich des Aufgabenbezuges verweist das LAG zunächst auf den § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wonach dem Betriebsrat die Aufgabe zukommt, die Durchführung der arbeitnehmerschützenden Vorschriften zu überwachen. Weiterhin nennt es insbesondere den § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, wonach der Betriebsrat für die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen zuständig ist. Diese Aufgaben können vom Betriebsrat nur auf Grundlage der für ihn erforderlichen Unterrichtung wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang betont das LAG auch, dass die dem Betriebsrat zur Erfüllung von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben nicht von einer vorherigen Einwilligung der Arbeitnehmer abhängen und nach betriebsverfassungsrechtlicher Konzeption nicht zu deren Disposition stehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich die notwendige Erforderlichkeit zunächst daraus, dass der Betriebsrat den konkreten Plan einer Wahl zur Schwerbehindertenvertretung darlegte. Die Möglichkeit der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung setzt jedoch nach § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX voraus, dass fünf schwerbehinderte Menschen in dem Betrieb nicht nur vorrübergehend beschäftigt sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann jedoch nur geprüft werden, wenn der Betriebsrat Kenntnis über die Anzahl der schwerbehinderten Menschen im Betrieb hat.
Des Weiteren ist eine Erforderlichkeit der Auskunft aus § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, § 176 SGB IX gegeben, worauf der Betriebsrat hier konkret abstellte. Wie schon ausgeführt, geht es um die Aufgabe des Betriebsrates die Eingliederung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb zu fördern. Zur Wahrung dieser Aufgabe muss der Betriebsrat die Namen der Mitarbeiter kennen, um diese gegebenenfalls ansprechen und ihre Arbeitssituation bewerten zu können. Das LAG stellt klar, dass als milderes Mittel die Ansprache des Betriebsrates auf Eigeninitiative der Schwerbehinderten nicht in Frage kommt. Denn ansonsten würde die Aufgabe des Betriebsrates als überwachendes Organ verkannt und die Förderung der Eingliederung könnte nicht hundertprozentig garantiert werden, da unsicher ist, ob sich jeder Betroffene an den Betriebsrat wendet.
Sensitive Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO
Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung der dort benannten besonderen Kategorien von personenbezogenen Daten grundsa¨tzlich untersagt. Hierzu za¨hlen unter anderem auch Gesundheitsdaten. Gema¨ß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 15 DSGVO handelt es sich dabei um Daten, die sich auf die ko¨rperliche oder geistige Gesundheit einer natu¨rlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen u¨ber deren Gesundheitszustand hervorgehen. Da aus dem Umstand der Schwerbehinderung Informationen über den Gesundheitszustand einer Person hervorgehen, handelt es sich dabei um Gesundheitsdaten nach dieser Vorschrift. Diese personenbezogen Daten werden auch im Sinne des Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DSGVO verarbeitet, da sowohl bei der elektronischen Zurverfügungstellung der Daten als auch bei einer händischen Übergabe Daten übermittelt werden. Das Verarbeitungsverbot in Art. 9 Abs. 1 DSGVO gilt allerdings nicht, wenn einer der Erlaubnistatbestände nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegt. Im vorliegenden Fall ging es um den Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gewährt, bestimmte Verarbeitungen von besonderen Kategorien personenbezogener Daten zu erlauben, wenn diese im Zusammenhang mit Rechten, die aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit oder des Sozialschutzes erwachsen, stehen. Der Gesetzgeber hat mit § 26 Abs. 3 S. 1 und S. 3 BDSG von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht. Dementsprechend müssen für die Verarbeitung besonderer personenbezogener Beschäftigtendaten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 BDSG vorliegen. Demnach darf kein Grund zur Annahme bestehen, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung das entgegengesetzte Interesse überwiegt. Der Verweis in § 26 Abs. 3 S. 3 BDSG auf § 22 Abs. 2 BDSG stellt sicher, dass die Grundrechte der Betroffenen geschützt und deren Interessen gewahrt sind.
Notwendigkeit angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen § 26 Abs. 3, §22 Abs. 2 BDSG
Da der Auskunftsanspruch des Betriebsrates hier auf die Übermittlung sensitiver Daten abzielt, muss er zur Wahrung der Interessen der von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmern angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen treffen. Sind solche vorhanden, ist davon auszugehen, dass schutzwu¨rdige Interessen der Bescha¨ftigten der Datenverarbeitung nicht entgegenstehen. Fehlt es hieran, ist die Verarbeitung sensitiver Daten nicht zulässig. Hinsichtlich der angemessenen und spezifischen Schutzpflichten obliegt es dem Betriebsrat diese bei einem Auskunftsbegehren über sensitive Daten darzulegen. Dem Arbeitgeber ist es aufgrund der Unabhängigkeit des Betriebsrates als Strukturprinzip der Betriebsverfassung verwehrt diesem dahingehend Vorgaben zu machen. Nach Beschluss des LAG hat der Betriebsrat im vorliegenden Fall den Anforderungen durch sein ausreichendes Datenschutzkonzept Rechnung getragen. In der Sicherung des Betriebsbüros ist eine Zugangsbeschränkung im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 5 BDSG zu sehen. Außerdem sind technische und organisatorische Maßnahmen nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BDSG vorgesehen. Weiterhin sieht das Datenschutzkonzept Löschvorgänge und Kontrollen vor. Unerheblich ist, dass der Betriebsrat nicht alle Maßnahmen in § 22 Abs. 2 BDSG erfüllt hat da diese nur als Regelungsbeispiele für Schutzvorkehrungen anzusehen sind.
Fazit
Der Beschluss des LAG zeigt, dass es für Betriebsräte von großer Bedeutung ist, angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen darlegen zu können, damit ein Auskunftsbegehren über sensitive personenbezogene Daten nicht verwehrt werden kann. Falls sie diese Maßnahmen gegenüber dem Arbeitgeber nicht vorweisen können, kann dieser die Herausgabe der Daten verweigern. Arbeitgeber sollten sich daher ausführlich mit den dargelegten Maßnahmen beschäftigen, um sich bei einer möglicherweise unzulässigen Datenweitergabe nicht einem Sanktionsrisikos wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften auszusetzen.