Im Zuge des Impfangebots zur Bekämpfung der Corona-Pandemie spaltet die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit einer Impfstatusabfrage seitens des Arbeitgebers die Gemüter. Solang eine behördliche Quarantäne angeordnet war, erhielten Arbeitnehmende eine Entschädigung. Dies galt unabhängig vom Impfstatus.
Die Lage ist seit dem 22. September anders. Das Gesundheitsministerium von Bund und Ländern versagt nun ab November 2021 die Erstattung des Verdienstausfalls für Ungeimpfte. Eine Begründung hierfür sieht man in der flächendeckenden Möglichkeit, ein Impfangebot wahrzunehmen.
Aktuell führen die Gesundheitsämter keine Prüfung der Erfordernisse für einen Anspruch auf Entschädigungszahlung im Falle einer behördlichen Quarantäneanordnung durch. Dies stellt Arbeitgeber vor eine Reihe von arbeitsrechtlichen Fragstellungen rund um die Thematik der Lohnfortzahlung sowie der Impfstatusabfrage.
Das Wichtigste in Kürze
- Einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 IfSG besteht nicht, wenn der Beschäftigte die Quarantäne durch Inanspruchnahme einer allgemein empfohlenen Schutzimpfung hätte vermeiden können
- Klärungsbedürftig, mangels eindeutiger Rechtslage, bleiben Fragen, die die praktische Umsetzung der Lohnfortzahlung nach § 56 IfSG betreffen
- Der Arbeitgeber darf nicht generell, sondern nur im Beschäftigungsverhältnis in der Gesundheitsbranche den Immunisierungsstatus der Beschäftigten abfragen
- Der LfDI BaWü stellte einen Punkteplan zusammen, der als Leitlinie für die Verarbeitung personenbezogener Daten gilt. Hier besteht Konfliktpotential mit zuständigen Behörden
Impfstatusabfrage nach dem Infektionsschutzgesetz
Mit der fortschreitenden Impfkampagne gehen nicht nur gesundheitsrechtliche, sondern auch arbeitsrechtliche Fragen einher. So steht auch ein potentielles Recht des Arbeitgebers, den Impfstatus seiner Beschäftigten zu erfragen, im Zentrum juristischer Diskussion. Nach §§ 23a, 36 IfSG kann der Arbeitgeber, soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Abs. 3 IfSG erforderlich ist, personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impfstatus verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zu entscheiden.
Das Pflichtenprogramm des § 23 Abs. 3 IfSG besagt, dass die Leiter medizinischer Einrichtungen, wie Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflegediensten, sicherzustellen haben, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden.
Dies stellt den gesetzlichen Erlaubnistatbestand für medizinische Berufsgruppen dar, handelt es sich doch bei den Impfdaten um Gesundheitsdaten gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO, die mithin besonders schützenswert nach Art. 9 DSGVO sind. Ferner ist Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO für alle anderen zu beachten.
Dieser ist nur dann zulässig, wenn die Angabe erforderlich ist, damit der Arbeitgeber oder die beschäftigte Person die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann.
Von einer Erforderlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Daten für die Aufgabenerfüllung im Rahmen der Tätigkeit unabdingbar sind.
Dies ist wiederum der Fall, wenn die Aufgabe ohne die Kenntnis der Information nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erfüllt werden kann. Um im vorliegenden Fall eine Erforderlichkeit bejahen zu können, dürfte der Arbeitgeber also ohne die Information über den Impfstatus schlechterdings nicht in der Lage sein, seinen Betrieb zu organisieren oder seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz
In § 56 IfSG heißt es: „Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld.
Eine Entschädigung in Geld kann auch einer Person gewährt werden, wenn diese sich bereits vor der Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 vorsorglich abgesondert oder vorsorglich bestimmte berufliche Tätigkeiten ganz oder teilweise nicht ausgeübt hat und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, wenn eine Anordnung einer Absonderung nach § 30 oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 bereits zum Zeitpunkt der vorsorglichen Absonderung oder der vorsorglichen Nichtausübung beruflicher Tätigkeiten hätte erlassen werden können.“
Eine Entschädigung kann einer Person nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgezahlt werden, wenn die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Ergeht gegenüber einem Beschäftigten eine Quarantäne-Anordnung, so leistet der Arbeitgeber zunächst die Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen.
Der Arbeitgeber nimmt diese Zahlung stellvertretend „für die zuständige Behörde“ vor. In einem zweiten Schritt kann der Arbeitgeber von der zuständigen Behörde dann die Erstattung der ausgezahlten Beträge verlangen. Ein Anspruch besteht jedenfalls dann nach § 56 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 IfSG nicht, wenn die Quarantäne vermeidbar gewesen wäre.
Reisen Arbeitnehmende in Länder, die eine mögliche Quarantäne zur Folge haben können, handeln sie schuldhaft im Sinne der Entgeltfortzahlungsbestimmungen, wenn sie sich bei der Rückkehr tatsächlich in Quarantäne begeben müssen. Als Folge eines solchen Verhaltens seitens des Arbeitnehmenden entsteht eine vorübergehende Verhinderung der Erbringung der Arbeitsleistung gemäß § 616 BGB. Dementsprechend existiert in einem solchen Fall kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Falls der Arbeitnehmende die Möglichkeit hat, während der Quarantänephase seine Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen, bleibt sein Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts natürlich bestehen.
Einlassungen des Landesbeauftragten für Datenschutz Baden-Württemberg
Die Gesundheitsministerkonferenz beschloss, dass Ungeimpfte in der Quarantäne keine Entschädigung mehr verlangen können. Da die Abwicklung von Entschädigungszahlungen nach § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG zunächst über den Arbeitgeber erfolgt, stellt sich nun die Frage, ob der Arbeitgeber nach dem Impfstatus fragen darf, um einschätzen zu können, wie er sich verhalten muss.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg äußerte sich hierzu. Jedoch besteht in nicht allen Punkten Einigkeit mit den zuständigen Behörden: „Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber bereits die Frage nach privaten oder besonders geschützten Daten nach Art. 9 DSGVO (Gesundheitsdaten gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO in etwa) verboten.
Im Zusammenhang mit der Auszahlung einer Entschädigung nach § 56 IfSG liegen jedoch genügend gesetzliche Hinweise vor, dass dem Arbeitgeber hierbei eine Rolle zugewiesen wird, die eine solche Frage rechtfertigen kann.“ Der Arbeitgeber darf zwar im Rahmen der Lohnerstattung nach dem Impfstatus des Beschäftigten fragen, der Beschäftigte muss ihm aber seine sensiblen Daten nicht offenbaren, wenn er das nicht möchte.
Laut LfDI kann der Beschäftigte beispielsweise auch über das zuständige Regierungspräsidium die Lohnfortzahlung sicherstellen, ohne dass der Arbeitgeber Kenntnis von den Gesundheitsdaten erlangt. Das sehen die zuständigen Behörden anders. „Solch unterschiedliche Auffassungen sind für Arbeitgeber wie Beschäftigte misslich, letztlich kann nur der Gesetzgeber für Klarheit sorgen.“
Datenverarbeitung bei einer Quarantäneanordnung
Was letztlich bei einer Datenverarbeitung im Zusammenhang mit einer Quarantäne zu beachten ist, stellt der LfDI BaWü in einem Katalog zusammen. Dieser verweist auf Punkte, die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Bezug auf die Entschädigungszahlung zu beachten sind:
- Der Arbeitgeber darf den Impfstatus der Beschäftigten erfragen, wenn er die Entschädigung für die Behörde auszahlt.
- Der Beschäftigte ist nicht verpflichtet gem. Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO, dem Arbeitgeber seinen Impfstatus oder andere Gesundheitsdaten offen zu legen. Hier ist lediglich die Rede von Verarbeitungsbefugnissen des Arbeitgebers, allerdings nicht von etwaigen Auskunftspflichten des Beschäftigten. Er kann zwar frei entscheiden, ob er dem Arbeitgeber die persönlichen Informationen für den Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG mitteilen will, läuft jedoch das Risiko, mangels Mitwirkung Nachteile zu erleiden.
- Wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber die personenbezogenen Daten für den Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG offenlegt, geschieht dies im Rahmen einer ausdrücklichen Einwilligung nach der DSGVO. Die Angaben müssen auf freiwilliger Grundlage seitens des Beschäftigten gemacht werden. Freiwilligkeit setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten jederzeit die Wahl lässt, die erforderlichen Angaben ihm gegenüber zu machen. Er muss dazu gut über die Verwendungszwecke durch den Arbeitgeber (Art. 4 Nr. 11 DSGVO) und über die Möglichkeit eines Widerrufs der Einwilligung in die Verwendung seiner Daten (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 DSGVO) informiert sein.
- Die Angaben unterliegen einer strengen Zweckbindung. Nach deren Verwendung zur Erlangung der Erstattung seiner Entschädigungszahlung hat der Arbeitgeber diese Daten unverzüglich zu löschen.
- Nach LfDI bleibt dem Beschäftigten in jedem Fall die Möglichkeit, anstelle einer Auskunft gegenüber seinem Arbeitgeber die Entschädigung nach § 56 Abs. 5 Satz 4 IfSG selbst bei der zuständigen Behörde zu verlangen. Die zuständigen Behörden verneinen jedoch eine eigene Antragsbefugnis des Beschäftigten. Der Beschäftigte müsse seinen Impfstatus, nicht aber die gegen eine Impfung sprechenden Gründe dem Arbeitgeber preisgeben. Die Behörden vertreten die Auffassung, dass der Beschäftigte erst für Absonderungszeiträume ab der 7. Woche einen eigenen Antrag stellen kann. Solche langen Absonderungen kommen regelmäßig bei Corona nicht vor.
Ausblick
Die Rechtslage ist insoweit unklar und umstritten. Dies sorgt für erhebliches Konfliktpotential und Rechtsunsicherheit. Aus Sicht des Datenschutzes hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Zugang zu Gesundheitsdaten seiner Beschäftigten.
Finanzielle Nachteile sind bislang durch den Arbeitgeber unweigerlich hinzunehmen. Die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden haben im Verlauf der Pandemie zwar eine Bereitschaft gezeigt, die Besonderheiten der Pandemie bei datenschutzrechtlichen Beurteilungen zu beachten.
Ob der Arbeitgeber überhaupt Informationen über den Impfstatus seiner Mitarbeiter einholen darf, die sich nicht im gesundheitlichen Bereich befinden, ist gerichtlich bislang nicht geklärt. Eine Erforderlichkeit nach Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO ist in den meisten Fällen zu verneinen.
Die im Zusammenhang mit Entschädigungsleistungen wegen einer Quarantäne verfügbaren Stellungnahmen sind zu spärlich, um eindeutige Aussagen über eine Zulässigkeit des Impfstatusabfrage für die Klärung der Entschädigungszahlung zu treffen. Es bleibt in diesem Punkt weiterhin auf Rechtsprechung zu warten.