Corona-Virus und dessen Auswirkungen auf das Arbeitsrecht
– Eine Übersicht der wichtigsten Fragen –
1. Corona Virus – Wann darf/muss ich zu Hause bleiben?
Die bloße Befürchtung, sich bei Verlassen der Wohnung möglicherweise mit dem Corona-Virus anzustecken, genügt nicht, damit Sie der Arbeit fern bleiben dürfen. Denn eine nur potenzielle Ansteckungsgefahr gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, die Sie tragen müssen.
Soweit Ihr Arbeitsvertrag vorsieht, dass Sie von Zuhause arbeiten dürfen (Home-Office) ist dies kein Problem. Sollte Ihr Arbeitsvertrag wiederum keine entsprechende Home-Office- Vereinbarung vorsehen, ist eine Zusatzvereinbarung mit dem Arbeitgeber möglich. Keinesfalls dürfen Sie jedoch selbst die Entscheidung treffen, wenn sich dies nicht unzweifelhaft aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Im Zweifel sollte eine Klärung mit dem Arbeitgeber erfolgen.
Ob Ihr Arbeitgeber ohne entsprechende, vertragliche Vereinbarung von Ihnen verlangen darf, im Home Office (im Wege des sog. Direktionsrechts) zu arbeiten, ist umstritten. Jedenfalls ist er dann verpflichtet die entsprechenden Arbeitsmittel (wie z.B. Dienstlaptop, Fernzugriff auf die IT-Infrastruktur des Unternehmens, usw.) bereitzustellen, damit Sie Ihre Arbeitsleistung erbringen können; des Weiteren hat Ihr Arbeitgeber die entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen für Home-Office zu wahren.
Bitte beachten Sie:
Soweit Sie nur wegen der abstrakten Befürchtung, Sie könnten sich (unterwegs) infizieren, nicht zu Ihrer Arbeit gehen, verlieren Sie Ihren Vergütungsanspruch. Sie tragen grundsätzlich das sog. Wegerisiko, wodurch Ihr Entgeltzahlungsanspruch gem. § 326 Abs.1 BGB untergeht, soweit Sie entgegen Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung nicht Ihre Arbeit aufnehmen. Überdies würden Sie auch unentschuldigt fehlen. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht gem. §§ 273, 275 Abs. 3 BGB besteht auch bei drohenden Pandemien nicht zwingend. Das Fehlen kann schlimmstenfalls zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.
Haben Sie wiederum den berechtigten Verdacht (bspw. aufgrund von Symptomen oder Kontakt zu infizierter Person), sich mit dem Corona-Virus angesteckt zu haben, sieht die Rechtslage schon anders aus. Denn beim Vorliegen eines sogenannten vorübergehenden persönlichen Verhinderungsgrundes (vgl. § 616 S.1 BGB) dürfen Sie der Arbeit fernbleiben und bekommen trotzdem ihr Entgelt ausgezahlt, soweit dies nicht durch Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde. Dieser Verhinderungsgrund liegt u.a. bei einem medizinisch notwendigen Arztbesuch vor, wenn dieser nur während der Arbeitszeit erfolgen kann. Ist zur medizinischen Abklärung eines Corona-Verdachts das Fernbleiben von der Arbeit nötig, muss der Arbeitgeber unverzüglich über das Fernbleiben von der Arbeit informiert werden. Lassen Sie sich dies dann auch vom Arzt oder einer anderen aufgesuchten Stelle schriftlich bestätigen, dass eine medizinische Indikation für die Untersuchung bestand. Zur Angabe des genauen Grundes des Arztbesuches – also der aufzuklärenden Erkrankung – sind Sie Ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht verpflichtet.
Soweit Sie Krankheitssymptome haben und dadurch arbeitsunfähig sind, haben Sie aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit das Recht, der Arbeit fernzubleiben. Die Arbeitsunfähigkeit müssen Sie, auch im Falle einer Corona-Infektion, dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Unabhängig davon sieht das Gesetz vor, dass spätestens nach dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest – also die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – vorgelegt werden muss. Bitte beachten Sie immer, ob arbeits- oder tarifvertraglich eine kürzere Frist vereinbart worden ist. Soweit Sie erkrankt sind, haben Sie grundsätzlich für die Dauer von sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 EFZG gegenüber Ihrem Arbeitgeber und anschließend auf Krankengeld von der Krankenkasse.
Sollte mit der Erkrankung aufgrund des Corona-Virus zeitgleich ein (behördliches) Beschäftigungsverbot gem. § 31 IfSG und/oder Quarantäne gem. § 30 IfSG angeordnet werden, steht Ihnen, anstelle des § 3 EFZG, infolge des Tätigkeitsverbotes bzw. Quarantäne gem. § 56 Abs. 1 IfSG ein Entschädigungsanspruch zu. Dabei tritt der Arbeitgeber in Vorleistung und zahlt Ihnen die Entschädigung in Höhe der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütungshöhe aus. Die ausgezahlten Beträge werden vom Arbeitgeber auf Antrag bei der zuständigen Behörde erstattet, vgl. § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG. Die Erstattung erfolgt aber nur auf Antrag Ihres Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Pflicht nicht in Vorleistung getreten, können Sie ebenfalls gem. § 56 Abs. 5 S. 3 IfSG diesen Antrag stellen.
2. Mein Arbeitgeber hat mich einseitig freigestellt und/oder den Betrieb (vorübergehend) stillgelegt. Habe ich einen Anspruch auf Vergütung?
Ja, denn grundsätzlich trägt der Arbeitgeber gem. § 613 S. 3 BGB das wirtschaftliche Risiko über das Unternehmen und letztendlich der Verwertung Ihrer Arbeitsleistung.
3. Besteht auch im Falle einer behördlich angeordneten Betriebsschließung mein Vergütungsanspruch?
Wird der Betrieb Ihres Arbeitgebers auf behördlicher Anordnung gem. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG geschlossen, kann in extremen Ausnahmenfällen von dem Grundsatz, wonach der Arbeitgeber das unternehmerische Wirtschaftsrisiko trägt, abgewichen werden. Von dem Wirtschaftsrisiko ausgenommen sind extreme Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge. Es ist umstritten, ob auch Epidemien hiervon erfasst sind. In solch einer Ausnahmesituation könnte der Vergütungsanspruch gem. § 615 S. 3 BGB ggf. nicht bestehen.
4. Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ich lediglich mittelbar wegen Corona meiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann?
Diese Konstellation tritt ein, wenn bspw. der Kindergarten aufgrund des Corona-Virus temporär geschlossen wird und Sie die Betreuung Ihres Kindes selbst organisieren müssen, wodurch es Ihnen deshalb unmöglich wäre, Ihre Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen.
Ihnen könnte aufgrund einer vorübergehenden Arbeitsverhinderung dennoch ein Lohnanspruch gem. § 616 BGB zustehen und zwar für die Dauer von bis zu fünf Tagen. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Vorschrift abbedungen werden kann; ist im Arbeitsvertrag die Anwendung von § 616 BGB ausgeschlossen, muss Ihr Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung nach dieser Vorschrift nicht leisten. Des Weiteren stünde Ihnen kein Anspruch auf Krankengeld wegen der Pflege bzw. der Erkrankung des Kindes gem. § 44a Abs. 3 SGB XI bzw. gem. § 45 SGB zu, da Ihr Kind weder krank, noch pflegebedürftig ist.
5. Welche Vorsichtsmaßnahmen muss mein Arbeitgeber in Bezug auf Corona einleiten?
Gemäß §§ 618, 241 Abs. 2 BGB treffen Ihren Arbeitgeber arbeitsrechtliche Schutzpflichten, insbesondere die Pflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Arbeitnehmer. In diesem Fall hat er u.a. auf die Einhaltung der Hygienestandards einzuwirken. Des Weiteren kommt, wie bereits zuvor dargelegt, die Anordnung von Home-Office oder ggf. eine (entgeltliche) Freistellung in Betracht. Maßgebend für diese Entscheidung ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht gem. § 106 GewO; eine Anordnung des Arbeitgebers muss dem billigen Ermessen entsprechen und die Interessen seiner Arbeitnehmer adäquat berücksichtigen. Sollten (sachliche) Anhaltspunkte einer konkreten Gefährdung bzw. Ansteckungsgefahr in dem Unternehmen bestehen, kann der Arbeitgeber einzelne Mitarbeiter, zumindest kurzfristig, freistellen. Hat der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung, muss er – sowohl im Hinblick auf die Unversehrtheit des Erkrankten, als auch der gesunden Arbeitnehmer – den (erkrankten) Mitarbeiter nach Hause schicken.
Sollten Sie befürchten, dass ein anderer Mitarbeiter infiziert ist (bspw. weil er hustet oder sonstige Anzeichen einer Erkrankung aufweist), kann Ihnen unter engen Voraussetzungen ein Zurückbehaltungsrecht Ihrer Arbeitsleistung gem. § 275 Abs. 3 BGB zustehen. Dies ist der Fall, soweit Ihnen nicht zugemutet werden kann, dass Sie Ihre arbeitsvertragliche Verpflichtungen wahrnehmen. Soweit Umstände vorliegen, die eben die Annahme einer erhöhten Infektionsgefahr durch einen Arbeitskollegen rechtfertigen, kann ggf. ein Zurückbehaltungsrecht begründet sein. Bitte beachten Sie jedoch, dass Sie stets versuchen sollten mit Ihrem Arbeitgeber eine einvernehmliche und insb. beidseitig interessensgerechte Lösung anzustreben um das Risiko einer Abmahnung oder einer Kündigung auszuschließen.
6. Darf mein Arbeitgeber anordnen, dass ich dienstliche Reisen in eines der Gefahrengebiete antreten muss?
Auch hier bedarf es einer umfassenden Abwägung der beidseitigen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-)Interessen, da eine Anweisung nach billigem Ermessen gem. § 106 GewO erfolgen darf. Im Wesentlichen gelten hier die Ausführungen unter Punkt 1.
Soweit die sachlich gerechtfertigte Annahme einer hohen Infektionsgefahr besteht, können Sie der Anweisung Ihres Arbeitgebers widersprechen; in diesem Fall hat Ihre körperliche Unversehrtheit absoluten Vorrang. Daher stünde Ihnen ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB zu. Bitte beachten Sie, dass nicht jede abstrakte Gefahr ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigt. Soweit die vermeintliche Gefahr nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht, ist die Verweigerung der Arbeitsleistung nicht begründet.
7. Was muss ich meinem Arbeitgeber mitteilen; was darf mein Arbeitgeber mich fragen?
Die Frage, ob Sie verpflichtet sind Ihrem Arbeitgeber mitzuteilen, ob bzw. woran Sie erkrankt sind, richtet sich nach dem § 26 Abs. 1 S. 1 und 3 BDSG i.V.m. Art. 9 DS-GVO.
Hiernach darf Ihr Arbeitgeber Ihre personenbezogenen Daten (mithin auch Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO) verarbeiten, wenn dies zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.
Entsprechend des § 5 EFZG sind Sie verpflichtet Ihrem Arbeitgeber (unverzüglich) mitzuteilen, dass Sie erkrankt sind. Woran Sie jedoch erkrankt sind müssen Sie ihm nicht mitteilen. Ihrem Arbeitgeber steht auch kein entsprechendes Fragerecht zu. Waren Sie in letzter Zeit in einem besonders gefährdeten Gebiet (bspw. zwecks Urlaub) bzw. einem Gebiet, für das das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung wegen der Infektionsgefahr herausgegeben hat, und ist zu befürchten, dass Sie sich infiziert haben könnten, bleibt es Ihnen überlassen, Ihrem Arbeitgeber dies (freiwillig) mitzuteilen. Daraufhin kann Sie Ihr Arbeitgeber erforderlichenfalls vorübergehend – unter Fortzahlung Ihres Gehaltes – freistellen oder anderweitige Maßnahmen treffen, um weitere Mitarbeiter zu beschützen.
Bei Bedarf können Sie uns gerne kontaktieren, damit wir Sie bei der Einführung oder Umsetzung arbeitsrechtlicher Maßnahmen oder Fragenstellungen individuell beraten können.
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