Lange Zeit regelte das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) in Deutschland den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Letztlich trat 2019 das neue Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) in Kraft. Für die Personalabteilungen und Unternehmen bedeutet dies, Verschwiegenheitsklauseln in den Arbeitsverträgen anzupassen und Geheimhaltungspolicen sowie Maßnahmen zur Sicherung Know-hows zu novellieren.
Das GeschGehG ist Antwort auf gesetzgeberische Bemühungen, Spionage im Wirtschaftsbereich stärker zu sanktionieren. Gerichte gehen nun härter gegen Wirtschaftskriminalität und Diebstahl wirtschaftsrelevanten Humankapitals vor.
Das OLG Düsseldorf entschied kürzlich einen solchen Fall, indem es um die unbefugte Verwendung von Konstruktionszeichnungen durch einen ursprünglichen Arbeitnehmer in seinem neuen Beschäftigungsverhältnis ging. Im Vordergrund stand die Fragestellung, ob Konstruktionszeichnungen ein Geschäftsgeheimnis darstellen können.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei § 2 Nr. 1 lit. c) GeschGehG handelt es sich gegenüber § 17 Abs. 2 UWG a. F. um eine neue Obliegenheit des Geschäftsgeheimnisinhabers
- Bei in CAD-Konstruktionszeichnungen enthaltenen technischen Informationen handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 2 Nr. 1 GeschGehG
- Rechtsnachfolger und somit Inhaber des Geschäftsgeheimnisses i.S.d § 2 Nr. 2 GeschGehG wird der Erwerber desselben. Der Erwerb kann auch mit Kauf des Unternehmens erfolgen
- Dem Stand der Technik entsprechende, in der Fachliteratur gängige Verfahren und Informationen schließen die Zuordnung unter das Geschäftsgeheimnis grundsätzlich nicht aus
Hintergrund des Urteils
Streitgegenstand vor dem OLG Düsseldorf ist die unrechtmäßige Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses der Klägerin durch die Beklagte. Bei der Klägerin handelt es sich um eine 1989 gegründete Unternehmung, die Zentrifugen herstellt und in dem Zusammenhang Serviceleistungen anbietet, wie Herstellung von Ersatzteilen.
Der Geschäftsführer der Beklagten war bis 2016 als Servicemanager bei der Klägerin angestellt. Ihm wurden zur Erfüllung seiner Tätigkeiten auch Konstruktionszeichnungen der Klägerin bereitgestellt. Im Falle seines Ausscheidens aus dem Betrieb wurde Verschwiegenheit vereinbart.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin arbeitete dieser als Geschäftsführer für die Beklagte, welche ebenfalls Wartungen und Ersatzteile für Zentrifugen anbietet. Im Jahre 2017 bewarben sich die Klägerin und die Beklagte beide auf den gleichen Auftrag einer Zuckerherstellerin, der 1987 produzierte Zentrifugen der Klägerin betraf und die Fertigung von Ersatzteilen vorsah.
Der Beklagten wurde der Auftrag letztlich zugesagt. Die Klägerin führt an, die Beklagte habe ihre Konstruktionszeichnungen rechtswidrig genutzt. Der Beklagten wurde der Auftrag nur aus dem Grund zugesprochen, weil sie über Konstruktionszeichnungen der Klägerin durch das ehemalige Beschäftigungsverhältnis des Geschäftsführers verfügte. In diesem Zuge konnte die Beklagte auch eine günstigere und schnellere Lieferung zusagen. Die Konstruktionszeichnungen unterfallen aber dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.
Das Geschäftsgeheimnis nach dem GeschGehG
Nach § 2 Nr.1 GeschGehG ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Bei § 2 Nr. 1 lit. c) GeschGehG handelt es sich gegenüber § 17 Abs. 2 UWG a. F. um eine neue bzw. zusätzliche Obliegenheit des Geschäftsgeheimnisinhabers.
Allgemein bekannt ist eine Information, wenn sie zum gängigen Wissenstand der breiten Öffentlichkeit oder einer dem maßgeblichen Fachkreis angehörenden durchschnittlichen Person gehört. Dies wäre gegeben, wenn die Information einem interessierten Kreis der Öffentlichkeit durch Veröffentlichung oder Ausstellung, bekannt gemacht wurde. Leicht zugänglich sind Informationen, von denen sich jede Person bzw. Fachkreise ohne besondere Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen können.
Die betreffende Information muss sich ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand erschließen und damit nutzbar gemacht werden können. Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses ist nach § 2 Nr. 2 GeschGehG jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis hat. Rechtmäßige Kontrolle bedeutet dabei, dass die Person nicht nur die tatsächliche Dispositionsbefugnis innehat, sondern auch rechtmäßig die Informationsherrschaft ausübt.
Dieser Person ist das Geheimnis zugeordnet und sie muss zur Ausübung des Geheimnisses befugt sein. Diese Zuordnung kann durch eigene Generierung der Information entstehen oder abgeleitet werden, wenn das Geschäftsgeheimnis von demjenigen, der seinerseits die Kontrolle rechtmäßig innehatte, wirksam durch ein Rechtsgeschäft oder durch Gesetz auf eine andere Person übergeht.
Welche Maßnahmen für eine Geheimhaltung letztlich als angemessen angesehen werden können, bestimmt sich anhand eines objektiven Maßstabs. Das Gesetz verlangt keinen „optimalen Schutz“ oder „extreme Sicherheit“. Zu beachten ist ein Bündel an Indikatoren für die Bestimmung der Geheimhaltungsmaßnahmen:
Die Art des betreffenden Geschäftsgeheimnisses, die konkreten Umstände der Nutzung, der Wert des Geschäftsgeheimnisses, dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern sowie die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen.
Konstruktionszeichnungen als Geschäftsgeheimnis
Das LG Düsseldorf entschied in der ersten Instanz, dass es sich bei der Konstruktionszeichnung um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 a) UWG a. F. handelt. Daran vermochte auch der Vortrag der Klägerseite nichts zu ändern. Zwar sind die konkreten Schweißprozesse im vorliegenden Fall unstreitig seit langem als gängige Verfahren allgemeiner Wissensstand.
Dies steht der Einordung der Konstruktionszeichnungen als Geschäftsgeheimnis aber ebenso so wenig entgegen wie der Einwand, dass die angewandten Prozesse in der Fachliteratur branchenbekannt sind. Es ist nicht erforderlich, dass jede in einer Konstruktionszeichnung verkörperte Information für sich genommen ein Geschäftsgeheimnis darstellt.
Ausreichend ist, dass die Konstruktionszeichnung als Ganzes ein Geschäftsgeheimnis darstellt. Nur weil ein Verfahren dem Stand der Technik entsprechend vielfach angewandt wird, heißt dies nicht, dass sie dem Geschäftsgeheimnis nicht zugänglich sind. Ein Geschäftsgeheimnis muss nicht „neu“, „originell“ oder „eigentümlich“ sein.
Der in den CAD-Konstruktionszeichnungen verkörperte Inhalt ist überdies auch nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich nach § 2 Nr. 1 lit. a) GeschGehG. Zwar behauptete die Beklagte, dass die Bauteile und Maße der Trommel durch das schlichte Vermessen der Zentrifuge, also auch ohne Baupläne, leicht zugänglich waren.
Hierauf kommt es laut Vortrag des Gerichts aber nicht an. Maßgeblich ist nicht, ob die Trommel auch ohne die Konstruktionszeichnungen der Klägerin hätte konstruiert werden können, sondern ob die streitgegenständlichen Konstruktionszeichnungen in ihrer konkreten Erscheinungsform leicht zugänglich waren. Dies waren sie jedenfalls innerhalb des Unternehmens nicht. Die Zeichnungen waren nicht frei zugänglich und durch verschiedene Maßnahmen gesichert. Abnehmern wurden die Zeichnungen nicht überlassen.
Ebenfalls trug die Beklagte vor, dass die vorgenommenen Messungen als Reverse Engineering nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG erlaubt seien. Das mittlerweile zulässige Reverse Engineering bezeichnet die Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses, durch „Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts oder Gegenstands“.
Voraussetzung für die Zulässigkeit ist aber, dass das Produkt selbst rechtmäßig an die Öffentlichkeit gelangt ist (lit. a) oder es sich im rechtmäßigen Besitz des Beobachtenden befindet (lit. b). Angemessene Geheimnisschutzmaßnahmen, die letztlich den „subjektiven Geheimhaltungswillen“ sowie die „Ernsthaftigkeit des Schutzinteresses“ untermauern, liegen nach Rechtsauffassung des Gerichts aber vor. Der Einwand des Reverse Engineering gehe auch deshalb ins Leere, da die Beklagte die Vermessung nie durchführte.
Gem. § 2 Nr. 1 GeschGehG handelt es sich bei den Konstruktionszeichnungen ebenso um Informationen wirtschaftlichen Wertes. Die Klägerin verwendete die Zeichnungen für verschiedene Geschäftsfelder, verfügte über internationale Klienten und zählt zu den Experten für industrielle Misch- und Trennprozesse. Ein Bekanntwerden der Zeichnungen würde zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Die Klägerin zeichnet sich durch die zügige Unterbreitung von Angeboten gerade wegen der bereits vorhandenen Konstruktionszeichnungen aus. Diesen „strategischen Wissensvorsprung“ konnte sie nicht nutzen.
Entscheidung des OLG
Die Beklagte reichte Berufung ein, welche am 15. Januar 2020 durch das OLG Düsseldorf als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen wurde. Im Ergebnis habe das LG Düsseldorf die Beklagte zurecht auf Unterlassung nach §§ 6 S. 1, 4 Abs. 3 GeschGehG und Auskunft verurteilt und ihre Schadenersatzpflicht festgestellt.
Die Gesetzesänderung des GeschGehG am 26. April 2019 trat zwar während des Verfahrens ein, allerdings erfassen neue Gesetze auch schwebende Verfahren.
Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin übe die tatsächliche Kontrolle als Rechtsnachfolgerin nicht rechtmäßig aus, konnte nicht überzeugen. Zwar scheidet eine originäre Inhaberschaft des Geheimnisses der Klägerin aus, da diese 1987 noch nicht existierte. Die Klägerin beruft sich vielmehr auf eine abgeleitete Inhaberschaft.
Diese ist darauf zurückzuführend, dass die Klägerin 1989 errichtet wurde und das vorhergehende Unternehmen als Gesellschafter die Stammeinlage übernahm. Der Einigungsvertrag sah vor, dass die Rechte am technischen Erfahrungsgut übergehen.
Die Beklagte nutzte also das Geschäftsgeheimnis nach § 4 Abs. 3 GeschGehG, obwohl der Arbeitsvertrag mit dem Geschäftsführer der Beklagten eine dem § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG angelehnten Regelung enthielt, wonach ein Geschäftsgeheimnis nach Beendigung des Angestelltenverhältnisses, mit ehemals berechtigtem Zugang, nicht (mehr) für eigene oder fremde Zwecke genutzt werden darf.
Dem Geschäftsführer der Beklagten war es verwehrt, Kenntnisse nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unbegrenzt zu verwenden oder diese gar an sich zu nehmen und weitestgehend identisch zu übernehmen.
Ausblick
Um einen europaweiten Mindeststandard an Know-how-Schutz zu gewährleisten, verabschiedete der europäische Gesetzgeber im Juni 2016 die Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und Geschäftsgeheimnisse vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung. Zur Umsetzung wurde das GeschGehG beschlossen, das wichtige Implikationen für das Recruiting enthält.
Auf die Einhaltung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen muss im Bereich HR vor allem bei der Erstellung von Arbeitsverträgen und im Bereich des Informationsaustauschs mittels eines einzuführenden Geheimnisschutzsystems geachtet werden.
Dabei dürften die Unternehmen, die bereits im Rahmen der Umsetzung der DSGVO TOMs ergriffen, wertvolle Vorarbeit geleistet haben. Auch im Bereich des Geheimnisschutzes kommen alse allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorgaben zum Tragen. Bei der Errichtung geeigneter Vorkehrungen für ihren Geheimnisschutz sollten Sie abermals Ihre Datenschutzbeauftragten konsultieren.