Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement, auch bekannt als BEM, handelt es sich um eine Maßnahme des Arbeitgebers, die einem Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, den Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag erleichtern soll. Ziel ist es, den Arbeitsplatz sowie das Arbeitsumfeld an krankheitsbedingte Bedürfnisse des Arbeitnehmers anzupassen und so das Arbeitsverhältnis dauerhaft zu sichern. Dass beim betrieblichen Eingliederungsmanagement auch der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt – insbesondere weil dabei oftmals sensible personenbezogene Daten der Beschäftigten verarbeitet werden – scheinen noch nicht alle Arbeitgeber wahrgenommen zu haben. So hat sich beispielsweise das Arbeitsgericht Köln bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen eine krankheitsbedingte Kündigung mit den datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Durchführung des BEM-Verfahrens auseinandersetzen müssen, ArbG Köln, Urteil vom 24.06.2021, Az. 10 Ca 7069/20.
Das Wichtigste in Kürze
- Da beim BEM eine Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten stattfindet, sind auch datenschutzrechtliche Anforderungen zwingend zu beachten.
- Betroffene Arbeitnehmer, deren personenbezogene Daten zum Zwecke der Durchführung eines BEMs verarbeitet werden, müssen über die stattfindende Verarbeitung umfassend informiert werden.
- Die ordnungsgemäße Durchführung eines BEMs kann bereits bei der Einleitung des Verfahrens scheitern, wenn erforderliche Datenschutzhinweise fehlen oder unvollständig sind.
Ausgangsfall
Im Ausgangsfall wehrte sich eine Arbeitnehmerin gegen eine krankheitsbedingte Kündigung. Die Kündigung erfolgte aufgrund zahlreicher Fehlzeiten infolge von Kurzzeiterkrankungen der Arbeitnehmerin zwischen 2014 und 2020. Im Anschluss an die letzte Kurzzeiterkrankung und noch vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung wurde ihr im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung uneingeschränkte Einsatzfähigkeit attestiert. In der Folgezeit wurde die Arbeitnehmerin zu einem BEM-Gespräch geladen, wobei die Einladung folgenden Hinweis enthielt:
“Wir weisen Sie darauf hin, dass personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes erhoben und gespeichert werden. Das betrifft insbesondere die uns bislang bekannten Daten zu ihrem Krankheitsverlauf und deren Ursachen. Es wird gegebenenfalls erforderlich werden, in Abstimmung mit Ihnen noch weitere Daten zu erheben, zu verwenden und zu übermitteln. Dabei wird unter Umständen auch auf vorhandene oder noch einzuholende Arztberichte, medizinische Einschätzungen und Atteste zurückzugreifen sein.”
Im Rahmen des Gesprächs teilte die Arbeitnehmerin mit, sie könne ihrer Arbeit weiterhin uneingeschränkt nachgehen, da den Erkrankungen keine arbeitsplatzbezogenen Ursachen zugrunde lagen. Dem Gespräch folgte eine Anhörung des Betriebsrats, der einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung der Arbeitnehmerin widersprach, da es an einer negativen Gesundheitsprognose mangelte. Trotz des Widerspruchs kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin konnte sich mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich zur Wehr setzen.
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements
Zwar ist die Durchführung eines BEM keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung. Allerdings ist ein solches zwingend vor einer krankheitsbedingten Kündigung durchzuführen. Die Durchführung eines BEM konkretisiert insoweit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, als dass eine krankheitsbedingte Kündigung nur wirksam ist, wenn der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Bemühungen unternommen hat, um dem Arbeitnehmer die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit und den Erhalt des Arbeitsplatzes in seinem Betrieb zu ermöglichen. Dabei soll konkret geprüft werden, ob dem Arbeitgeber nicht mildere Mittel im Verhältnis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur Verfügung stehen.
ArbG Köln: Keine Kündigung ohne ordnungsgemäße Durchführung eines BEMs
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. In seinem Urteil kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung mangels einer negativen Gesundheitsprognose sozial ungerechtfertigt ist. Ferner stellte die Kündigung im Streitfall nicht das mildeste Mittel dar. Insoweit wäre der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, vor Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung ein BEM-Gespräch zu führen. Ein solches fand zwar statt, allerdings sei dieses nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, da die Arbeitnehmerin im Einladungsschreiben nur unzureichend über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten belehrt wurde.
Verarbeitung besonders sensibler Daten im Rahmen des BEM
Auch beim BEM findet eine Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten statt. Bei den verarbeiteten Daten handelt es sich in der Regel um Gesundheitsdaten, die gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO als besonders sensible personenbezogene Daten anzusehen sind. Vor allem aufgrund des besonderen Schutzbedarfs müssen auch bei der Durchführung des BEM zwingend datenschutzrechtliche Anforderungen beachtet werden.
Rechtsgrundlage beim BEM
Um die schützenswerten Interessen des Arbeitnehmers zu wahren, muss gem. § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Teilnahme am BEM-Verfahren eingeholt werden.
Sowohl die überwiegende Auffassung in der Literatur als auch die Datenschutzbehörden verstehen die gesetzlich geforderte Zustimmung der betroffenen Person auch als Einwilligung im datenschutzrechtlichen Sinne gem. Art. 7 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 2 DSGVO.
Im Rahmen des BEM-Prozesses muss der Arbeitgeber in der Regel auf besonders sensible Daten wie Diagnosen zugreifen. Dazu ist er allerdings nur dann befugt, wenn der Betroffene eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung erteilt hat. Die Erteilung der Einwilligung muss dabei freiwillig und informiert erfolgen.
Einige verstehen die Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Rahmen des BEM dagegen als die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht des Arbeitgebers. Dieser ist unter den Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 SGB IX zur Durchführung eines BEM-Verfahrens verpflichtet. Die Vertreter dieser Auffassung ziehen als Rechtsgrundlage für die Durchführung eines BEM-Verfahrens ausschließlich Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO i.V.m. § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX heran.
Notwendigkeit von Datenschutzhinweisen beim BEM
Unabhängig davon welche Rechtsgrundlage herangezogen wird, muss der betroffene Arbeitnehmer, dessen personenbezogene Daten im Rahmen eines BEM-Verfahrens verarbeitet werden, ausführlich über die stattfindende Verarbeitung informiert werden. In § 167 Abs. 2 SGB IX ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, dass die betroffene Person zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen werden muss. Die DSGVO konkretisiert in Art. 13 und Art. 14 den Inhalt und die Ausgestaltung der Datenschutzhinweise, die unter Einhaltung der Datenschutzgrundsätze, insbesondere auch des Transparenzgrundsatzes, zu erteilen sind.
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Vergangenheit klargestellt, dass ein wesentliches Ziel der Durchführung eines BEM darin besteht Klarheit darüber zu schaffen wie die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst überwunden werden kann, wie erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 7. Februar 2012, Az. 1 ABR 46/10).
Demnach ist der Arbeitnehmer darüber aufzuklären, dass es im Rahmen der Durchführung eines ergebnisoffenen BEM-Verfahrens um die Grundlage seiner Weiterbeschäftigung geht. Daneben sind auch entsprechende Hinweise zur Datenerhebung und -verwendung zu erteilen. Außerdem ist klarzustellen, dass nur solche Daten des Arbeitnehmers erhoben und verarbeitet werden, die zur Durchführung eines zielführenden BEMs erforderlich sind. In diesem Zusammenhang muss dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden, welche Daten über seinen Gesundheitszustand erhoben und gespeichert werden und in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Arbeitgeber auf diese zugreifen kann.
BEM kann an unzureichenden Datenschutzhinweisen scheitern
Vor diesem Hintergrund entschied das Arbeitsgericht Köln im Streitfall, dass die Einladung des beklagten Arbeitgebers zum BEM-Gespräch den genannten Anforderungen nicht genügt hatte. Die Arbeitnehmerin sei nicht darauf hingewiesen worden, dass nur solche Daten von ihr erhoben werden, deren Kenntnis tatsächlich erforderlich ist, um ein zielführendes BEM-Verfahren durchführen zu können. Vom Versuch einer ordnungsgemäßen Durchführung eines BEM kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn zuvor eine entsprechende Unterrichtung über den erforderlichen Umfang der Datenverarbeitung des Arbeitnehmers erfolgt ist.
Fazit
In seinem Urteil beruft sich das Kölner Arbeitsgericht auf die Rechtsprechung des BAG, in der die Richter bereits 2014 festgestellt haben, dass eine ordnungsgemäße Durchführung eines BEMs nur dann angenommen werden kann, wenn dem Arbeitnehmer die erforderlichen Datenschutzhinweise vollumfänglich erteilt wurden (BAG, Urteil vom 22.11.2014). So sollte man meinen, dass die hier zitierte Entscheidung keine neuen Erkenntnisse mit sich bringt. Jedoch ist auch weiterhin in der Praxis zu beobachten, dass viele Arbeitgeber weiterhin verkennen wie wichtig es ist, den Datenschutz bei sämtlichen Prozessen im Beschäftigungskontext – darunter vor allem auch beim BEM – zu berücksichtigen. Neben der vollständigen und korrekten Erteilung der erforderlichen Datenschutzhinweise ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung des BEM-Verfahrens je nach Unternehmen variieren kann, bspw. im Hinblick auf die am Verfahren beteiligten Personen. Aus diesem Grund ist zwingend darauf zu achten, dass die Datenschutzhinweise den individuellen Fall erfassen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Einholung einer Einwilligung in eine breit angelegte Datenverarbeitung unter Umständen unzulässig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie Datenverarbeitungen betrifft, die für die Durchführung des BEM nicht erforderlich sind.
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